Fragen und Antworten von Studenten zum Thema P2P Kredite

Aufgrund meiner 2 Blogs erreichen mich neben Anfragen von der Presse auch ab und zu Anfragen von Studenten, die Arbeiten zum Thema P2P Kredite schreiben mit der Bitte um ein Interview bzw. Beantwortung eines Fragenkataloges. Oft sind die Fragestellungen relativ ähnlich zu solchen, die ich in der Vergangenheit schon beantwortet habe. Ich habe mir daher überlegt, dass ich solche Anfragen zwar weiter beantworte, aber nur wenn der Anfragende zustimmt, dass a) die Fragen und Antworten von mir im Blog veröffentlicht werden und ich b) ein Exemplar der fertigen Arbeit (zum Lesen; nicht zur Veröffentlichung) bekomme.

Auf diese Art und Weise wird hier ein Fundus wachsen, den zukünftige Studenten nutzen können, um zu sehen, mit welchen Fragestellungen sich Studenten bisher u.a. befasst haben. Den Anfang machen heute Fragen einer Studentin des IMB Institute of Management Berlin der Hochschule für Wirtschaft und Recht an mich.

1. Warum ist der Marktanteil für P2P lending in Deutschland derzeit noch relativ gering? (z.B. gesetzliche Hürden, sozio-ökonomische Hindernisse, etc.)

Nach meiner Einschätzung tragen verschiedene Gründe dazu bei:

a) Das Zinsniveau konkurrierender Kreditangebote ist deutlich niedriger als z.B. in den USA. Zwar wird das Zinsniveau von Dispositionskrediten und teilweise auch von Ratenkrediten von den deutschen Verbrauchern als hoch eingestuft, im Vergleich zu Kreditkartenzinsen in USA und UK oder auch zu Verbraucherkrediten in Estland sind diese Zinssätze in Deutschland aber niedrig.
D.h. deutsche P2P Kreditmarktplätze bieten Kreditnehmern geringere oder keine Wettbewerbsvorteile gegenüber traditionellen Kreditangeboten als in anderen Märkten.
b) daraus folgt auch, dass deutsche P2P Kreditplattformen vermutlich tendenziell höhere Marketingaufwände haben um Kreditnehmer zu gewinnen und zudem der Spielraum für die Gebühr, die sie berechnen können, durch die Wettbewerbssituation begrenzt ist
c) in Deutschland erfordern die rechtlichen Rahmenbedingungen, dass der Kreditmarktplatz mit einer Bank kooperiert. Zwar ist auch in den USA die regulatorische Lage nicht einfach, aber dieser Punkt beschränkt die Gestaltungsmöglichkeiten der deutschen Marktplätze und erhöhte Kosten und Komplexität vieler Prozesse
d) die Marktplätze haben bisher noch keine optimale Ausgestaltung der Prozesse entwickelt. Bei beiden deutschen Marktplätzen liegen die Ausfallraten nach meiner Einschätzung über den ursprünglichen Prognosen. Der Ansatz wenig eigene Prüfungen der Kreditnehmerangaben durchzuführen birgt das Risiko erhöhter Ausfallraten, während eine detaillierte Prüfung aller Anträge die Transaktionskosten erhöht und die Konversionsrate von Anträgen zu Krediten stark senkt.

2. Was wären aus Ihrer Sicht die wichtigsten Änderungen, um P2P lending stärker zu etablieren?

Ich glaube nicht, dass es hier ein Patentrezept gibt. Ggf. werden sich die Marktplätze weiter entwickeln oder weitere Anbieter werden mit veränderten Ansätzen in den Markt eintreten. Ein Kernfaktor ist es möglichst prognostizierbare Ausfallraten zu erreichen, da dies zu planbaren Renditen für die Anleger führt.

3. Welche zukünftigen Potentiale von P2P Plattformen gibt es? (z.B. Angebotsportfolio, Zielgruppen, etc.)

Ein Bereich, der in Deutschland noch gar nicht abgedeckt ist, sind zum Beispiel P2C-Kredite (Peer-to-company Kredite). Hier gibt es im Ausland bereits spezialisierte Marktplätze. Ein weiteres Spezialfeld sind auch zuverlässig besicherte Kredite (z.B. durch Immobilien). Auch hier gibt es international bereits erste Ansätze. Es bleibt abzuwarten, ob hierfür auch in Deutschland Nachfrage besteht.
Potential sehe ich für Marktplätze, die es schaffen sich multinational aufzustellen. Bisher sind – bedingt durch sehr unterschiedliche Regulierung – nahezu alle P2P Marktplätze nur für Anleger und Kreditnehmer des Heimatmarktes geöffnet. Schafft ein Marktplatz dies auf mehrere Märkte oder gar auf den EU Binnenmarkt auszudehnen kann er möglicherweise stark von Skaleneffekten profitieren. In den USA profitieren Prosper und Lending Club bereits vom sehr großen Binnenmarkt (auch wenn sie nicht in allen 50 US-Staaten operieren dürfen).

4. Wo sehen Sie die größten Risiken des P2P lending? Aus Sicht der Kreditnehmer und –geber?

Für Kreditnehmer sind die Risiken sehr begrenzt, da bei den deutschen Kreditmarktplätzen Kosten nur entstehen, wenn der Kreditnehmer tatsächlich den Kredit erhält. Wenn man vom Risiko der Überschuldung absieht, dann besteht das Risiko nur darin, dass der Antrag nicht finanziert wird, oder dass der Kreditnehmer erwartete die Auszahlung erfolge schneller, als der Prozess des Marktplatzes es erlaubt.
Meine Tipps an Kreditnehmer sind auf jeden Fall das P2P Kreditangebot mit anderen Kreditmöglichkeiten auf günstigere Konditionen zu vergleichen und die angebotene Restkreditversicherung abzulehnen.

Für die Kreditgeber gibt es deutlich mehr Risiken:

  • Kreditausfall – Kreditnehmer zahlt nicht
  • (Identitäts-)betrug
  • der Marktplatz stellt seinen Betrieb ein (international gab es hier mehrere Fälle wie Boober, Quakle, Monetto)
  • unzuverlässige Prognosen über Ausfallrisiken (Anleger bei Prosper die in den Jahren 2006/2007 anlegten sahen sich mit tatsächlichen Ausfallraten von 30% konfrontiert – das lag weit über den Prognosen)
  • Fehlende Liquidität. Im Gegensatz zu den Kreditnehmern gibt es für die Anleger bei beiden deutschen Marktplätzen nicht die Möglichkeit eines vorzeitigen Ausstiegs. Anders als bei manchen ausländischen Anbietern gibt es keinen Zweitmarkt an dem Anteile gehandelt werden.

Generell gibt es eine Informationsasymetrie zugunsten der Kreditnehmer.

5. Wie wird sich die Beziehung von P2P Plattformen und Banken in Zukunft entwickeln?

Die Banken haben bisher fast keine Reaktion auf die neuen Entwicklung gezeigt. Das mag für den deutschen Markt noch rational sein, da das Volumen der deutschen Kreditmarktplätze im Vergleich zum Kreditvolumen der Banken winzig ist. Meine Meinung hat sich aber gegenüber 2009 nicht geändert: die Banken müssen überlegen welche Rolle sie in Zukunft spielen werden, sonst laufen sie langfristig Gefahr, dass marktfremde neue Player die Entwicklungen bestimmen. In den USA und UK ist dieser Positionierungsbedarf für die Banken bereits akuter und hat bereits zu ersten Experimenten geführt. Der CEO von Lending Club erwartet das Banken P2P Kreditmarktplätze aktiv nutzen werden und in ihre Geschäftsmodelle integrieren werden. Ich bin skeptisch ob eine solche Entwicklung auf dem deutschen Markt wahrscheinlich oder gar möglich ist.

Zudem sind die P2P Kreditmarktplätze auch in Deutschland langfristig nicht wirklich auf die Zusammenarbeit mit etablierten Banken angewiesen. Nach Erreichen einer gewissen Größe könnten Sie entscheiden eigene Banklizenzen zu erlangen um ihre Prozesse vollständig unter eigener Kontrolle zu haben. Sicher ein sehr kosten- und zeitintensiver Weg, dennoch nicht unmöglich wie das Beispiel Paypal gezeigt hat.