Würden das Psychologen über Bondora Go & Grow sagen?

Bondora Go & Grow* erfreut sich allgemeiner Beliebtheit bei deutschen Anlegern. Gleichzeitig sind im Netz viele negative Stimmen zu Portfolio Pro von Bondora zu lesen. „Finger weg“ heisst es da unter anderem. Ich fand das schon seit dem Start von Go & Grow paradox.

Zur Erinnerung: Bei Go & Grow steuert Bondora die Verteilung des Anlegergeldes auf die Kredite und verspricht dem Anleger eine Rendite von bis zu 6,75% p.a.. Bei Portfolio Pro nutzt der Anleger einen Autoinvest und kann die Verteilung selbst beeinflussen, die Zinsen sind abhängig von den gewählten Länder- und Bonitätseinstellungen liegen z.B. für estnische A und B Kredite bei rund 11 bis 17% p.a.

Der Großteil der Anleger bevorzugt also Go&Grow mit 6,75%, während es bei Portfolio Pro höhere Zinsen gibt? Warum? Nun, die Anleger wollen anscheinend mit Ausfällen nichts zu tun haben, denn die 6,75% gibt es quasi fix, während die genannten Zinsraten bei Portfolio Pro die Nominalzinsen sind und natürlich nicht alle Kredite plangemäß abzahlen, sondern damit zu rechnen ist, dass ein gewisser Anteil ausfällt und ins Inkasso geht.

Ist Go & Grow also die vernünftige Wahl eines risikoaversen deutschen Anlegers?

Ich finde das immer noch paradox. Denn über Go & Grow investiert Bondora das Geld in dieselben Kredite, in die der Anleger auch direkt mittels Portfolio Pro investieren würde. Es sind nicht irgendwelche speziellen anderen Kredite. Es gibt also genauso Ausfälle, Zahlungsverzögerungen und Inkasso. Der Unterschied ist nur, der Anleger sieht sie nicht (weil Bondora Go&Grow keinerlei Informationen zum zugrundliegenden Portolio des einzelnen Anlegers anzeigt, sondern nur fein jeden Tag akkumulierte aber noch nicht ausbezahlte Zinsen im Account anzeigt).

Der Anleger verzichtet also auf potentiell höhere Renditen und nimmt lieber die fixe Rendite von bis zu 6,75%, die ihm Bondora verspricht. Anmerkung: Fix ist sie natürlich nur in unter „normalen“ Marktbedingungen, denn Bondora garantiert sie nicht. Seit Einführung von Go & Grow wurde sie bisher aber konstant erreicht.

Um dieses Paradox zu verstehen, bringe ich nun die in der Überschrift erwähnten Psychologen ins Spiel.

In folgendem Experiment bitte erst beide Entscheidungen betrachten, dann die Wahl treffen

Entscheidung 1 zwischen Auswahl:
A) sicherer Gewinn von 240 Euro
B) 25% Chance 1000 Euro zu gewinnen und 75% Chance nichts zu gewinnen

Entscheidung 2 zwischen Auswahl:
C) sicherer Verlust von 750 Euro
D) 75% Chance 1000 Euro zu verlieren und 25% Chance nichts zu verlieren

73% der Befragten wählten A) in Entscheidung 1 und D) in Entscheidung 2. Bei Gewinnen bevorzugen Menschen Sicherheit (risikoavers), während sie bei möglichen Verlusten spekulativer handeln um den Verlust zu vermeiden. Nur 3% der Teilnehmer wählten die Kombination B und C.

Dass das nicht rational ist, zeigt sich überdeutlich, wenn man die Auswahlen nicht getrennt, sondern kombiniert darstellt

AD) 25% Chance 240 Euro zu gewinnen und 75% Chance 760 Euro zu verlieren
BC) 25% Chance 250 Euro zu gewinnen und 75% Chance 750 Euro zu verlieren

So dargestellt erkennt jeder, dass die Kombination der Entscheidungen B & C die bessere Wahl ist.

Dieses Beispiel ist aus dem Buch Thinking Fast and Slow (dt. „Schnelles Denken, langsames Denken„) von Daniel Kahnemann, dass ich extrem stark empfehlen kann. Es illustriert einen der beschriebenen Effekte, dass nämlich Menschen Verluste stärker empfinden als Gewinne und somit mehr Anstrengungen unternehmen um Verluste zu vermeiden als Gewinne zu erzielen.

Was hat das jetzt mit Bondora* zu tun?

Ich behaupte mal einfach, die Popularität von Bondora Go & Grow* (und übrigens auch der Rückkaufgarantie bei anderen Plattformen) ist im Vergleich zu Portfolio Pro nicht rational, sondern basiert auf diesem psychologischen Muster bei der Entscheidung des Anlegers, wo er investieren möchte. Der Anleger übergewichtet das Risiko (bzw. den mentalen Schmerz) der Ausfälle.

Die Anleger wählen also (bis zu) 6,75% Rendite (Go & Grow) statt sich für ca. 9% Rendite (Portfolio Pro unter der Annahme estnische A Kredite mit 12% Zins, 5% Ausfall und 2% wieder Eintreibung im Rahmen des Inkasso – vereinfachend – mir ist klar, dass man die Prozente wegen der Zeitachse nicht einfach addieren kann) zu entscheiden.

Jetzt wird als Gegenargument sicher die besser / tägliche Liquidität von Go&Grow kommen. Es ist richtig, dass bei Go&Grow alles (im Regelfall) sofort ausbezahlt werden kann. Rational betrachtet sehe ich aber keinen Vorteil zu Portfolio Pro. Die grünen Kredite konnten in den letzten Jahren auch immer sofort auf dem Zweitmarkt verkauft werden, bringen aber sogar noch 1-2% Aufschlag. 90-95% können also auch dort sofort liquidiert werden (unter der Annahme dass nur in estnische Kredite guter Bonität investiert wird). Die restlichen 5-10% gelbe und rote Kredite muss der Anleger zwar aussitzen aber aufgrund des Zinseszinseffektes und der höheren Verzinsung entsprechen die 90%-95% schon nach relativ kurzer Anlagedauer den 100% aus der Go & Grow Anlage.

Da ich aufgrund diverses Meinungsbekundungen davon ausgehe, dass viele der Leser, so sie Bondora* Anleger sind, das anders sehen, können wir gerne im Bondora Forum weiter diskutieren.

Und aus genau den Überlegungen lege ich selbst nur über Portfolio Pro und nicht über Go & Grow an.

P.S.: zum Thema Wahrnehmung generell (nicht Bondora) hat Thomas hier auch eine Beobachtung: „…Und zu welchem Zinssatz sind die Anleger nun schlussendlich bereit ihr Geld den Plattformen zu überlassen?
Hier war ich überrascht ich hätte unterm Strich mit einer noch höhere Erwartung an die Zinssätze gerechnet. Die Durchschnittserwartung an das Umfrage Ergebnis wäre damit, so ganz naiv gerechnet, unterm Strich mal mindestens ein halbes Prozent höher gewesen als die vorher geäußerte Rendite Erwartung, also so knapp bei mehr als 11,5 % (das ist auch mein Zielwert). Dem ist mitnichten so. … kann es wirklich sein das eher unerfahrene Anleger, die Höhe des Zinses als den relevanten Faktor für die zu erwartende Rendite vernachlässigen?“

 

 

 

 

6 Gedanken zu „Würden das Psychologen über Bondora Go & Grow sagen?“

  1. Hallo Claus

    du sprichst mir aus der Seele – Menschen handeln oft alles andere als rational stellen es aber dann gerne so dar, bin gespannt ob es zur Diskussion kommt in deinem Forum sind ja viele unterwegs die „nachdenken und rechnen “ da gibt anderswo ganz andere Kanäle…

    Ich weiß nicht wie oft ich in den letzten Monaten an diversen Stellen argumentiert habe (u.a. hier http://p2p-game.com/bondora-jahresrueck-ein-kritischer-blick-wie-nun-weiter#GG ) wieso ich den Mehrwertvon G&G nicht sehe, meine Liquidität Alternativvorschlag war dann eher die Kurzläufervariante bei Mintos zu wählen statt wie von dir vorgeschlagen das direkt in Bondora abzubilden aber das geht natürlich auch gut.

    Herzlichen Dank für die positive Erwähnung meiner Umfrageauswertung, mich hat ja immer mal wieder das ein oder andere Ergebnis überrascht – aber das die Renditeerwartung > Zinssatz ist hat mich schon vom Hocker gehauen ;)

    grüße
    Thomas

  2. Hast recht. Peinlich. Ich hatte die Prozentzahlen bei C vertauscht abgeschrieben aus dem Buch, ohne dass es mir beim tippen auffiel.
    Scheinst aber der erste zu sein, dem das beim lesen auffiel, bzw. der sich die Mühe machte darauf hinzuweisen. Vor Dir haben schon ein paar Hundert Leute den Post gelesen. Habs jetzt korrigiert.

  3. Hallo,

    ich benutze Bondora Go&Grow als Taggeldkonto, da das Geld in 3~4 Tagen auf meinem Konto verfügbar ist.
    Bei Bondora Pro investiere ich in P2P Kredite oder? Hier wäre das Geld nicht schnell verfügbar oder?

    LG Jürgen

    • Hallo Jürgen,
      Sowohl bei Go&Grow als auch bei Portfolio Pro investierst Du in P2P Kredite. Und zwar nicht etwa in unterschiedliche Arten sondern in die gleichen. Nur in einem Fall macht Bondora Dir die einzelnen Kredite transparent, im anderen Fall nicht. Bei Portfolio Pro bist Du direkt von Ausfällen betroffen bekommst aber höhere Zinsen. Solange alles gut läuft, ist bei Go&Grow die Lqiuidität höher und du bist von Ausfällen nicht betroffen (die 6,75% sind aber nicht garantiert!)

      • Da ist es als Tagesgeldkonto verwende fand ich Portfolio Pro (oder auch andere P2P Plattformen) umständlich.
        Grundsätzlich denke ich, dass man auch die tagesaktuelle Verzinsung nicht vernachlässigen darf. So ist der effektive Zinssatz p.a. bei g&g bei über 7% (act/360). Hingegen liegt das Geld bei P2P Investitionen öfters brach, bis zu 3 Tage dauern Überweisungen drückt den effektiven Zinssatz.

        Ich denke denke du möchtest auf die tief verwurzelte Angst etwas zu verlieren hinweisen, würde aber g&g nicht so negativ darstellen. :)

        LG Jürgen

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