5 Mythen rund um P2P Kredite – alle widerlegt!

Mythos: Person, Sache, Begebenheit, die (aus meist verschwommenen, irrationalen Vorstellungen heraus) glorifiziert wird, legendären Charakter hat – Quelle: Duden

P2p Kredite sind für fast alle Neuland. Und manche Anfänger entwickeln Vorstellungen, die ihre Anlageentscheidung beeinflussen, obwohl sie falsch sind. Sei es in meinem Forum oder auf Facebook, manche dieser irrationalen Ideen finden sich im Monatstakt wieder. Gerade haben es erfahrene Anleger freundlicherweise einem Neuling erklärt, taucht dieselbe falsche Vorstellung schon wieder auf. Die Ursache liegt m.E. darin dass Zinsrechnung und Finanzmathematik für die meisten eben nicht inituitiv ist (und auch nicht wirklich intensiv an deutschen Schulen gelehrt wird).

Ich schreibe hier mal die 5 gängigsten Mythen, die mir immer wieder begegnen auf und warum sie falsch sind (bzw. ich sie für falsch halte).

Mythos 1: Wenn ich 100 Euro in einen (!) Kredit mit 12% Zinsen anlege, dann sollte ich nach einem Jahr rund 12 Euro Zinsen erhalten haben.
Das ist auf P2P Kreditplattformen i.d.R. nicht so, denn fast alle P2P-Kreditplattformen verwenden Annuitätendarlehen (Erläuterung), bei denen monatlich sowohl Zinsen gezahlt werden als auch ein Tilgungsanteil. Da durch die Tilgung der verbleibende Kreditbetrag geringer wird, werden die Zinsen sukzessive auf diesen kleineren Betrag berechnet und der Zinsbetrag wird auch geringer. Nur wenn auch das Geld aus Rückzahlungen nahtlos (d.h. ohne zwischenzeitliche) Pause in vergleichbare Kredite mit gleichem Zinssatz reinvestiert wird, dann betragen die erhaltenen Zinsen nach einem Jahr rund 12 Euro – in der Praxis ist es mehr wegen des Zinseszins-Effektes. Das Konzept der Annuitätendarlehen ist so zentral für das Verständnis oder auch das Missverständnis von P2P Krediten dass viele Plattformen dazu Infoartikel bringen, z.B. Lendix* letzte Woche hier.

Mythos 2: Wenn ich in kurzlaufende Kredite investiere verdiene ich mehr weil der Zinseszinseffekt höher ist
Die Argumentation der Anleger lautet hier, sie investieren lieber in kurzlaufende Kredite weil hier schneller Geld zurückkommt/mehr Geld im Monat zurückkommt, dass dann reinvestiert werden kann und somit ja der Zinseszinseffekt größer ist. Es ist zwar richtig dass bei kurzlaufenden Krediten mehr Geld monatlich zurückkommt. Das liegt aber einfach daran, dass wegen der kurzen Laufzeiten schneller getilgt werden muss und somit die Tilgungsraten im Annuitätendarlehen (siehe oben) höher sind. Das was beim kurzlaufenden Kredit mehr an Tilgung nach dem ersten Monat zurückkommt (und reinvestiert wird), ist ja beim langlaufenden Kredit sowieso noch investiert und verdient Zinsen. Bei nahtlosem Reinvest zu gleichem Zinssatz bleibt aber der investierte Betrag nach dem ersten Monat gleich egal ob es sich um kurzlaufende oder langlaufende Kredite handelt.

Mythos 3: Bei langlaufenden Krediten ist es besser für die Rendite die Kredite nach rund der Hälfte der Laufzeit auf dem Zweitmarkt zu verkaufen, denn in den letzten Monaten gibt es kaum noch Zinsen.
Dieses Argument kommt häufig von Bondora* oder Mintos* Anfängern. Entsteht vermutlich daraus, dass die Zahlungspläne bei beiden Plattformen eine gerundete Darstellung mit zwei Nachkommastellen zeigen und dass es keine Transaktionsgebühren auf dem Zweitmarkt gibt. Der Mythos ist auch falsch und – wer hätte es geahnt – liegt ebenfalls an dem Konstrukt der Annuitätendarlehen. Wie schon oben erwähnt nimmt der investierte Betrag im einzelnen Kredit über die Laufzeit ab, und somit wird der Betrag der ausgezahlten Zinsen (in diesem Kredit kleiner). Fatal ist nun wenn die Anzeige 0,00 Euro zeigt. kommt bei Bondora wegen dem 1 EUR Minimuminvest relativ oft vor. Das ist aber nur die gerundete Darstellung in der Anzeige. Intern rechnen Mintos und Bondora mit sehr viel mehr Nachkommastellen. Dies kann der Anleger überprüfen durch Mouseover oder durch Herunterladen des Kontoauszuges.

Mythos 4: Ich investiere nur in kurzlaufende Kredite, das reduziert das Risiko und ich kann schneller wieder aussteigen
Auch das  ist falsch. Keine der Pleiten bisher war für Anleger vorab absehbar. Weder Collateral, noch Trustbuddy oder Comunitae, oder der Fall Eurocent bei Mintos, es traf die Anleger von einem Tag auf den Nächsten. Gerade Betrugsfälle sind von außen nicht erkennbar aber auch bei Insolvenzfällen gibt es in der Regel keine Vorwarnung. Und sollte ein solcher Fall das Vertrauen in die Plattform insgesamt erschüttern, wird vermutlich auch der Zweitmarkt beim Verkauf der Kredite nicht helfen, denn ggf. wollen dann alle verkaufen und keiner kaufen.
Was können Anleger tatsächlich tun, um dem Betrugsrisiko zu begegnen?
M.E. hilft für den Anleger begrenzt eine Mischung aus:
+ Diversifikation über Plattformen
+ etablierte Plattformen bevorzugen (2-3 Jahre Track Record helfen, 5+ Jahre sind noch besser). Das Alter der Plattformen lässt sich hier einsehen & vergleichen.
+ Geschäftsmodell anschauen (Invoice Finance ist beispielsweise besonders Betrugsanfällig siehe Advanon)
Den meisten im Internet verfügbaren „Ratings“ stehe ich persönlich skeptisch gegenüber.
Wie gesagt eliminieren lässt sich das Betrugsrisiko dadurch nicht, nur die Wahrscheinlichkeit und die Auswirkungen minimieren.
Zurück zum Argument der schnelleren Ausstiegsmöglichkeit bei Kurzläufern. Auch bei normalen Marktbedingungen ist auf vielen Plattformen auch bei Langläufern ein Ausstieg sehr kurzfristig möglich. Ich hatte dazu 2016 einen Artikel geschrieben
und auch binnen weniger Tage mein komplettes Mintos Portfolio verkauft – die Details hatte ich hier beschrieben. Ging problemlos, da der Mintos Zweitmarkt sehr liquide ist.

Mythos 5: Anlage in P2P Kredite ist vergleichbar zu  Tagesgeld, gibt nur viel mehr Zinsen.
Rückkaufgarantien (Buyback) und liquide Zweitmärkte verleiten einige Anleger zu der Annahme der Invest in P2P Kredite sei einfach eine etwas moderne Form der Tagesgeldanlage. Falsch. Tagesgeldanlagen sind in der EU durch staatliche Einlagensicherungssysteme geschützt. Dagegen sind Buybackgarantien reine (Marketing)-Versprechen, die nur so gut sind wie die Bonität der Firma, die sie aussprechen. Geringfügig sicherer kann die Lage sein, wenn die Firma einen Kapitalstock in einem Provision Fund gebildet hat (z.B. Ratesetter Australien).
P2P Kredite sind eine Hochrisikoanlageform.

Hab ich noch einen häufigen Mythos vergessen? Gerne in den Kommentaren oder im Forum posten.

11 Gedanken zu „5 Mythen rund um P2P Kredite – alle widerlegt!“

  1. Super Artikel Claus! Besonders Punkt 4 ist so extrem wichtig und viele denken wirklich, dass das funktioniert. Ich habe es selbst ja schon am eigenen Leib erfahren und das war wohlgemerkt eine Bank :D Das ging einfach ziemlich schnell :)

    Als ergänzenden Mythos vielleicht noch: Die Rückkaufgarantie ist eine Garantie :D

  2. Eventuell kann man noch einen „Mythos“ hinzufügen: P2P-Kredite seien eine andere Anlageklasse als klassische Anleihen. Das sind sie nämlich nicht. Genau wie Unternehmensanleihen oder Staatsanleihen gehören P2P-Kredite am Ende ebenfalls zu den Geldwerten. Es sind Hochrisiko-Anleihen, vergleichbar mit „High Yield Bonds“.

    Und da eine Menge von Anlegern da draußen einen Haufen Rentenansprüche gegen den deutschen Staat aufgebaut haben dürfte, sind diese bereits massiv in Staatsanleihen investiert.

    Im Hinblick auf eine 50/50-Asset-Allokation zwischen Geldwerten und Sachwerten herrscht dadurch häufig ein massives Übergewicht zugunsten der Anleihen. Bei uns beträgt das Verhältnis locker über 80:20. Um das auf ein einigermaßen vertretbares Maß zu bringen, führt gar kein Weg an umfangreichen Investitionen in die Aktienmärkte (ETFs, Einzelaktien, Fonds, etc.), Edelmetalle und/oder Immobilien vorbei.

    P2P-Kredite passen daher für mich kaum in eine passende Vermögensaufteilung. Vom Risikoprofil dieser Dinger mal ganz abgesehen. Ein Betrag von ca. 500 €, verteilt auf ca. 50 Kredite, Laufzeit ca. 10 Jahre insgesamt, scheint mir gerade noch so vertretbar. Dann hat man irgendwann seine Investition wieder raus und keinerlei nominales Geldrisiko mehr.

    Beste Grüße
    Patric

    • Hallo Patric,

      Deinem Vergleich zu Unternehmensanleihen stimme ich zu bei Plattformen die wie Mintos agieren. Er trifft aber nicht zu auf „klassische“ P2P-Kreditplattformen, also z.B. Zopa, Auxmoney, Bondora oder Fellow Finance.

      • Hi,

        welche Eigenschaften haben denn Auxmoney oder Bondora, um NICHT in die Anlageklasse der Geldwerte zu fallen? Und wenn sie da nicht hinein gehören, wozu dann?

        Bei BONDora steckt der Hinweis auf Anleihen (=Bonds) doch sogar explizit schon im Namen der Plattform… :-)

        Beste Grüße

        Patric

      • Eben dass es sich um einzelne Konsumentenkredite handelt und nicht um Klumpenrisiken die durch einen Kredit an ein kreditvergebendes Unternehmen (Darlehensanbahner) gegeben werden. Die meisten Brancheninsider ziehen zur Beurteilung des Ausfallrisikos hier die historischen Ausfallraten von Kreditkartenunternehmen heran. Zwar gingen bei denen die Ausfälle der Schuldner (Verbraucher die ihre Kreditkartenschulden nicht mehr bedienen konnten), signifikant hoch, aber die Kreditkartenunternehmen arbeiteten auch noch in diesen Krisenzeiten profitabel. D.h. wenn der Vergleich standhält sind klassische P2P Kredite zwar auch nicht gegen Konjunkturzyklen resistent aber die Anleger können trotzem auf positive Renditen hoffen. Zudem gibt es Anhaltspunkte dass diese zeiten den Marktplätzen Chancen bieten das kreditvolumen auszuweiten da andere potentielle Kreditgeber (wie Banken) die Kreditvergabe restritiver handhaben. So äußerte der Bondora CEO die erste Zeit direkt nach der Krise sei für Bondora eine Boomzeit gewesen, da die Nachfrage gut war und die Konkurrenz geringer.

      • Hi Claus, ich kann Deinen Argumenten hinsichtlich Klumpenrisiko vs. Einzelkredit natürlich folgen, aber Dein Hinweis unten auf die Chancen in einer Krise, wie sie Bondora 2008 nutzen könnte, gilt doch eigentlich auch für die Anbahner, oder?

        Damit hätten die doch eigentlich dasselbe Risikoprofil, wie die Plattformen mit Einzelkrediten, wie die von Dir genannten oder auch EstateGuru, Envestio, Crowdestor, Kuflink, etc.

        Oder sehe ich das falsch?

      • Ich bin sicher kein Experte hinsichtlich der Stabilität des Geschäftsmodell der Anbahner, aber meine persönliche Einschätzung dazu, ist dass fast alle Anbahner mit wenig Eigenkapital arbeiten und statt dessen mit sehr viel Fremdkapital hebeln. Dieses Fremdkapital können sie z.B. über Anleihen (siehe z.B. Mogo) oder über P2P Anleger bekommen. Diese Hebelung potenziert (verstärkt) nach meinem Verständnis die Gewinne (wenn es gut läuft) aber auch die Risiken wenn es schlecht läuft. Auf Grund der geringen Eigenkapitalbasis ist nach meinem Verständnis das geschäftsmodell der Anbahner auf kontinuierlichen Zufluss der Mittel angewiesen (zumindest bis eine kritische Masse überschritten wurde). Bei einem Engpass im Cashflow könnten die Liquiditätsprobleme zu einer Insolvenz des Anbahners führen. Dieses Liquiditätsrisiko sehe ich (wegen der fehlenden Hebelung) bei „klassischen“ P2P Kreditmarktplätzen nicht. Kurz: meine Erwartung ist das in der Krise die Ausfallraten bei Bondora ansteigen (aber die Rendite für die Anleger vermutlich dennoch positiv bleibt. Dass Risiko dass die krise zur Insolvenz von Bondora selbst führt würde ich nicht als hoch einschätzen (wie gesagt solange die Rendite für die Anleger positiv bleibt). Die Krise wird m.E. das insolvenzrisiko bei einzelnen Anbahner erheblich erhöhen. Und bei einer Insolvenz eines Anbahners sehe ich eine hohe Wahrscheinlichkeit eines Totalausfalls für die Anleger in Kredite dieses Anbahners – aber für eine adäquate Beurteilung müssen wir mehr Fälle haben. Bisher gibt es bzgl. Anbahnern ja nur den „Fall Eurocent“

      • Danke Claus, verstehe ich richtig, dass Du bei Plattformen wie Bondora (gilt das Deiner Meinung nach auch für EG?) davon ausgehst, diese Plattformen bräuchten nicht in gleichem Maße frisches Geld wie die Anbahner bei z.B. Mintos? Bondora hebelt doch ebenso wie ein Anbahner indem es das P2P-Geld der Anleger einwirbt, oder?

        Sicher gibt da graduelle Unterschiede, jedoch müsste doch Bondora analog zu einem der Anbahner bei Mintos zu sehen sein und der Unterschied wäre nur, dass die Plattform nicht so schnell insolvent ginge, wie der Anbahner, der nur durch die Buyback-„Garantie“ in die Schieflage käme.

        Oder habe ich Dich nicht richtig verstanden?

  3. Hi Claus, guter Artikel.
    @Patrice ich bin nicht sicher ob man P2P wirklich mit High Yield Bonds vergleichen kann, denn dies ist zwar vom Prinzip wahrscheinlich analog zu betrachten, aber doch eher auf Plattform order Anbahner Ebene.

    Durch die mögliche sehr geringe Anlagehöhe in einzelne Kredite (mit geringen Laufzeiten) und die schiere verfügbare Menge kann man hier ganz anders Diversifizieren und damit das Risiko verringern. Dazu käme dann noch die mögliche kurze Laufzeit, die genau wie geschrieben nicht den Mythos 4 begründet, sondern auch hier in Kombination mit der Diversifizierung zur Risikominimierung genutzt werden kann.

    Oder was meint ihr dazu?

    • Hallo Wolfgang,

      Deine Beschreibung trifft natürlich auf den UMGANG mit P2P-Krediten zu. Aber an der grundsätzlichen Klassierung ändert sich dadurch m.E. nichts… und somit bleibt das Ganze im Anleihebereich und dort bin ich halt bereits (dem lieben Staat sei „Dank) chronisch überinvestiert… :-)

      Viele Grüße
      Patric

  4. Moin, klasse Auflistung.

    Bei mir zählen P2P Kredite zum riskanten Bereich meiner Anlangen.

    Das meiste Geld fließt in den Vanguard FTSE All World (ist vergleichbar mit dem MSCI World ACWI, aber günstiger) und ab und zu gönne ich mir ein paar Unzen Silber.

    Lg
    Sven

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